Dienstag, 23. Juli 2013

Interview mit einer betroffenen Mutter.

Die junge Familie lebt in der Schweiz, während des Interviews war ihre kleine Tochter 1 ½ Jahre alt. Es ist immer zu berücksichtigen das jeder Fall ein Einzelfall ist und nicht pauschalisiert werden kann.


1. Wann haben sie von der Behinderung ihres Kindes erfahren
- vor der Geburt?
- nach der Geburt (wäre eine frühere Diagnose möglich gewesen?)?

Unsere Tochter ist mit einer isolierten Gaumenspalte auf die Welt gekommen, auf dem Ultraschall sieht man das nicht.




Wäre die Gaumenspalte mit einer anderen Untersuchungsmethode erkennbar gewesen?

Uns wurde gesagt, dass auch wenn wir das Fruchtwasser untersuchen lassen hätten, es nicht sichtbar gewesen wäre. Heute gibt es die Meinung das es auf einem 4D Ultraschall erkennbar ist, wirklich bestätigt ist dies jedoch nicht.



2. Wie war ihre erste Reaktion, hatten sie vorher schon etwas über diesen Geburtsfehler gehört?
- gab es schon einen Fall in Ihrer Familie?
- haben sie darüber gelesen?

Durch meinen erlernten Beruf als Dentalassistentin wusste ich von diesem Geburtsfehler, meinem Mann war dies jedoch völlig unbekannt. In unserer Familie gab es keinen Fall.



3. Wie haben sie sich informiert, wurden sie von den Ärzten, welche die Diagnose erstellt haben, gut unterstützt?

Der Arzt hat sofort nach der Geburt reagiert und uns sehr gut beraten. Sie ist unmittelbar nach der Geburt vom Spital Uster in die Neonatologie vom Universität Spital Zürich verlegt worden.


- was hätten sie sich erhofft?
Wir hätten uns erhofft, dass ich auch verlegt hätte werden können. Ich durfte nicht mit ihr mitfahren und dadurch das, dass Spital voll war musste ich eine Nacht ohne sie sein (die erste Nacht), schrecklich.

Ebenso hätten wir uns erhofft das die behandelnden Ärzte etwas flexibler gewesen wären was die Vorgehensweise beim Stillen angeht. Unsere Tochter wurde die ersten Monate über eine Magensonde ernährt obwohl dies, durch die sofort angefertigte Gaumenplatte, nicht nötig gewesen wäre. Durch den Rat einer Stillberaterin und einem Schnullerwechsel hat sie dann sehr schnell gelernt alleine zu trinken.



- lagen Ihnen genügend Informationen vor?
Wir wurden sofort informiert. Es war ziemlich viel für uns, alles konnten wir nicht sofort umsetzen. Eigene Recherchen im Internet haben uns eher verunsichert denn es gibt unglaublich viele Meinungen und Vorgehensweisen. Dies macht es sehr schwierig sich für das vermeintlich richtige Vorgehen zu entscheiden.



4. Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihrer Krankenkasse?
- hätten sie mehr Informationen gewünscht oder wurden sie gut versorgt?
Die Krankenkasse hat sich bei uns nicht gemeldet. Wir wurden darauf hingewiesen, dass die ganze Behandlung via IV läuft. Die entsprechende Formulare sind uns im Krankenhaus gegeben worden.


- welche Kosten werden übernommen?
Die IV übernimmt alle Kosten von der Behandlung der Gaumenspalte bis zum 20. Lebensjahr.



5. Welche Begründungen wurden für diesen Geburtsfehler genannt. Hätte es vermieden werden können?

Sie haben uns gesagt, dass es keine Gründe gibt. Man kann es nicht sagen, wieso diese Geburtsgebrechen entstehen.



6. Wie hat ihr Verwandten- Freundeskreis reagiert?

Die Familie hat gut reagiert und unterstützt uns sehr. Der Freundeskreis hat sich massiv verändert. Man weiss jetzt wer die „richtigen“ Freunde sind.



7. Wie gehen Sie mit Ihrem Kind, aus ihrer Sicht, um?
- über vorsichtig
- ganz normal

Wir gehen mit dieser Situation ganz natürlich und normal um.



8. Wann hat die erste Operation stattgefunden und wieviele werden noch folgen. Was genau wurde bei diesen Operationen durchgeführt und was ist lt. der Ärzte noch geplant?

Die erste Operation (Schliessung vom weichen Gaumen) erfolgte vor Kurzem, knapp 1 ½ Jahre nach der Geburt. Nächste Operation (Schliessung vom harten Gaumen) folgt vor dem Eintritt in den Kindergarten.
Neben diesen OPs wurden Paukenröhrchen, zur Überwachung und Vorbeugung von Entzündungen im Mittelohrbereich, eingesetzt

Ist absehbar ob danach noch weitere Operationen folgen?

Nein, lediglich nur zwei Operationen.



9. Wie denken Sie über die Zukunft Ihres Kindes?
- machen Sie sich Gedanken über mögliche Benachteiligungen im späteren  Leben?

Ich versuche das ganze so positiv wie möglich zu sehen. Ich mache mir schon Gedanken über das Sprechen. Ob sie gut sprechen kann, oder ob sie mit anderen Kindern Probleme bekommen könnte.



10. Welche Unterstützung erhoffen/erwarten Sie sich, von wem, für die Zukunft?

Ich erwarte eine bessere Unterstützung von den Kieferorthopäden und Kieferchirurgen. Wir fühlen uns manchmal alleine gelassen. Wir hoffen das sich das ändert.


Gibt es einen fixen Ansprechpartner im Krankenhaus oder wie genau ist das strukturiert?

Die Kieferorthopäden sind von Geburt an zuständig. Sie erstellen die Gaumenplatte und machen alle 3 Monate einen Termin für die Kontrolle. Im Krankenhaus hat man keine Ansprechpartner.



11.Wie hat dieser Geburtsfehler die Beziehung zu Ihrem Partner verändert?

Es hat sich überhaupt nicht geändert im Gegenteil es hat uns mehr zusammen geschweisst.



12. Haben Sie das Gefühl das die Reaktionen der Mitmenschen (Verwandte, Freunde, Bekannte, etc.) anders gewesen wäre wenn Sie schon vorher mehr über diesen Geburtsfehler gewusst hätten? Sind sie der Meinung das ein höherer Informationsstand für mehr Akzeptanz gesorgt hätte?

Die Mitmenschen reagieren mit Mitleid. Sie sind zum Teil überfordert mit der Geschichte und es gibt solche die können nicht mit allem umgehen. Es gibt wirklich wenige die das ganze verstehen und uns unterstützen. Ich glaube es wäre für uns einfacher gewesen, wenn wir vorher vom Geburtsfehler gewusst hätten, aber es musste nicht so sein. Ich denke, nicht alle Eltern sind dafür geschaffen ein Kind mit einer Spalte zu haben. Ich fühle mich auf einer Seite sehr privilegiert, ich denke das ist meine Aufgabe und ich versuche sie so gut wie es geht zu meistern.


Sind Sie der Meinung dass die Menschen die Situation besser verstehen würden und mehr unterstützen könnten wenn dieser Geburtsfehler in der Öffentlichkeit bekannter wäre?

Ich bin der Meinung, dass vereinzelte Menschen die Situation besser verstehen könnten, jedoch nicht eine grosse Masse. Ich denke einfach, dass der Mensch im allgemeinen keine „Lust“ auf unangenehme Dinge hat und zum Teil einfach überfordert ist mit dem Schicksal. Deswegen ist dieser Geburtsfehler ein „Tabuthema“.
Als die Hebamme bei mir war, redete sie von „Wolfsrachen“ und ich hatte keine Ahnung was das ist. Als ich sie fragte, sagte sie zu mir, das was deine Tochter hat. Ich war schockiert und das von einer Hebamme gut sie war nicht die jüngste, trotzdem finde ich das geschmacklos. Zumindest Fachleute sollten die korrekten Begriffe verwenden und respektvoll mit den Angehörigen umgehen.



Kommentar:
Es ist zu beachten das jeder Fall differenziert zu betrachten ist. Bei anderen Spaltformen ist es durchaus möglich diese auf dem Ultraschall zu erkennen. Ebenso ist zu erwähnen das in Deutschland die Krankenkassen zuständig sind und nicht wie bisher in der Schweiz die Invalidenversicherung (IV). Die Kostenübernahme ist zur Zeit jedoch nicht klar geregelt, wie dieser Bericht zeigt.


Stillberatung - Deutschland
La Leche Liga
Rund ums Baby

Stillberatung - Schweiz
La Leche League
Stillen.ch


Euer Nils !

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